

Die faszinierende Geschichte des Glases
Von prähistorischen Werkzeugen bis zum Hightech-Produkt – Glas hat sich im Lauf der Jahrhunderte von einem Zufallsprodukt zu einem unverzichtbaren Material entwickelt. Bild: Aleksandra Svyripa / Unsplash
Die Geschichte des Glases beginnt vor über 7000 Jahren, als frühe Menschen Vulkanglas wie Obsidian entdeckten und als Werkzeuge nutzten. Etwa 3000 Jahre später gelang es im östlichen Mittelmeerraum, genügend heisse Feuer zu machen, um Tongefässe zu brennen. Vermutlich war es ein Zufall, der bei diesen intensiven Brennprozessen die ersten gläsernen Klümpchen hervorbrachte – aus Quarzsand, Kalk und sodahaltiger Asche.
Luxusartikel mit Zukunftspotenzial
Wer das Glas erfunden hat – ob Mesopotamier, Ägypter oder Bewohner der Levanteküste – bleibt unklar. Archäologische Funde zeigen jedoch, dass Glasperlen zu den ersten hergestellten Glasobjekten gehörten. Diese, wie auch später entwickelte Glasamulette, wurden vor allem für Schmuck genutzt. Ab etwa 1500 v. Chr. entstanden in Ägypten die ersten Glasgefässe, gefertigt mit der aufwendigen Sandkerntechnik. Dabei wurde ein Kern aus Sand oder Keramik in flüssiges Glas getaucht und anschliessend entfernt. Um 650 v. Chr. liess der assyrische König Assurbanipal das älteste bekannte Glasrezept festhalten: «60 Teile Sand, 180 Teile Asche aus Meerespflanzen und 5 Teile Kreide ergeben Glas.»
Ein Durchbruch in der Glasverarbeitung war die Erfindung der Glasmacherpfeife um 50 v. Chr. im damaligen Phönizien. Mit diesem Werkzeug konnten Hohlgefässe wie Flaschen schnell und effizient hergestellt werden. Das geschmolzene Glas wurde auf die Pfeife aufgenommen, gedreht und geformt, bevor es durch Blasen die gewünschte Form erhielt. Diese Technik machte Glasflaschen erstmals in grösserem Maßstab verfügbar. Glas war jedoch noch immer ein Luxusgut. Ein Beispiel dafür sind Glasflaschen, die bei Ausgrabungen in Pompeji entdeckt wurden – sie dienten damals vor allem der Aufbewahrung von Wein.
Von farblosem Glas zu Meisterwerken
Um die Zeit der Geburt Christi wurde in Alexandria erstmals farbloses Glas hergestellt. Die Qualität von Glasprodukten verbesserte sich stetig. Im 11. Jahrhundert machte glänzendes Kristallglas Venedig zum Zentrum der Glasmacherkunst. Erste Fensterscheiben entstanden im 12. Jahrhundert in Frankreich, gefolgt von optischen Brillengläsern, die Venediger Glasmacher im 13. Jahrhundert entwickelten. Die Glasöfen der Stadt wurden 1295 aus Brandschutzgründen auf die Insel Murano verlegt. Dies schützte nicht nur die Stadt, sondern auch das streng gehütete Geheimnis der Glasherstellung – Glasbläsern drohte die Todesstrafe, wenn sie ihre Kenntnisse weitergaben.
Ab 1676 produzierten englische Handwerker klares Bleioxidglas, das sich hervorragend schleifen liess. 1688 entwickelte Saint-Gobain ein Verfahren, um Glas zu walzen und grössere, regelmässige Flächen herzustellen. Im 18. Jahrhundert wurden Regionen wie Schlesien und Böhmen für ihr kunstvoll verziertes Schnittglas berühmt.
Glas wird zum Massenprodukt
Mit der Industrialisierung begann eine neue Ära der Glasproduktion. 1867 revolutionierte Friedrich Siemens mit dem Wannenofen die kontinuierliche Glasschmelze. 1903 entwickelten Ingenieure in den USA die erste Flaschenproduktionsmaschine, die bis zu neun Flaschen pro Minute herstellen konnte.
Fensterscheiben wurden in dieser Zeit ebenfalls massentauglich. Das Flachglasverfahren, bei dem Glas aus der Schmelze mit Rollen abgezogen wurde, war ein grosser Schritt, doch störende Schlieren blieben ein Problem. Dies löste das britische Unternehmen Pilkington 1952 mit dem Floatglasverfahren: Hierbei schwimmt das geschmolzene Glas auf einem Zinnbad und wird in einem kontrollierten Prozess abgekühlt. Dieses Verfahren setzte neue Standards für makelloses Glas. Heute werden jährlich rund 130 Millionen Tonnen Glas produziert. Knapp die Hälfte entfällt auf Hohl- und Behälterglas, 42 Prozent auf Flachglas, und der Rest auf Tisch- und Spezialgläser.